Mai 2018 - Weltreise Update
Der zweite Monat unserer Reise war ein Crashkurs durch europäische Kulturen und Menschen. Von der Slowakei fuhren wir die Euro Velo 6 entlang nach Ungarn. Von Budapest radelten wir auf kürzestem Weg nach Serbien, dann nach Bulgarien, Griechenland und zu guter Letzt in die Türkei.
Ungarn
Unsere ersten Nächte waren großartig, erst wildcampen an der Donau und später im Zuhause der gastfreundlichen Familie von meinem guten Freund Marci.
Mit ihnen verbrachten wir ein paar Tage in Tahitótfalu, wir gingen wandern, fuhren Fahrrad und genossen traditionelles Essen auf einem Dorffest. Es gab selbst gemachte Spezialitäten wie Lángos, super leckere, fettig frittierte mit Käse bestreute Gebäcke und alle möglichen süßen Kuchen. Es wurde traditionelle ungarische Musik gespielt und die Dörfer kämpften um die Krone für den besten Gulasch-Koch. Viele Leute dort sprachen deutsch, sodass wir viele interessante Gespräche führen konnten.
Budapests Architektur beeindruckte uns, als wir in die Stadt fuhren. Wir machten eine Pause, als wir das Parlament auf der gegenüberliegen Donauseite erreichten. Wir saßen da und bewunderten die Stadtlandschaft. Sie ist sehr überwältigend und ähnelt (und übertrifft meiner Meinung nach teilweise) den europäischen Städten wie Paris und Wien. Die Offenheit, die die Donau der Stadt gibt ist etwas sehr Besonderes.
Die nächsten zwei Nächte verbrachten wir mit Esther und Arthur, sie waren formidable und erfahrene Warmshowers Gastgeber und halfen uns sogar meine Lenkertasche zu reparieren, welche leider ein paar Tage zuvor aufgrund von slowakischen Schotterpisten kaputtging. Die Tasche ist nun stabiler denn jeh, ordentliche Metallschrauben, kein billiger Plastik mehr, danke Arthur!
Von der Hauptstadt aus fuhren wir südlich durch das Land, Marci beschrieb es so “Joa… die großen Ebenen… es ist sau langweilig 😄”. Ich möchte hier Marci widersprechen! Es war sandig, dornig, und heiß, unsere Slick-Reifen wurden einem harten Test unterzogen. Ich hatte 3 Platten in weniger als 24 Stunden. Die Schuldigen blühten und kamen mit ihrem Duft für ihr Verbrechen auf. Nur eine kleine Wiedergutmachung.
Auf unserem Weg nach Serbien passierten wir die Städte Kecskemét und Szeged, manchmal fuhren wir auf sehr guten Radwegen, sie waren selten, doch wenn die existierten, waren sie lang und hatten eine super Oberfläche. Als wir die Straßen mit Autos und Motorrädern teilten, waren wir positiv überrascht darüber, wie vorsichtig und sicher sie uns überholten, ein großer Unterschied zu vorherigen Ländern. Wir fuhren auch entlang des Flusses Tisa auf der Euro Velo Route 11. Die Route ist offiziell “in Entwicklung”, deswegen glich die Qualität auch eher ungenutzte alter Feldwege. Wie auch immer, wir hatten viel Spaß dabei für lange Strecken alleine durch das Naturschutzgebiet zu fahren. Wir sichteten einen jungen Rehbock nach dem nächsten, Storch nach Storch, Ohh und Mücken, zu viele verfluchte Mücken.
Zeit nach Serbien zu fahren. Wir wussten nicht was uns erwarten würde, aber weil ich zuvor ein Paar super Serben getroffen hatte, war es notwendig selber mal einen Blick ins Land zu werfen. Wir entschieden uns eine letzte Nacht in einem schönen Eichenwald im Grenzgebiet zu verbringen. Am nächsten Morgen fuhren wir frisch und munter die 5 Kilometer zur Grenze.
Serbien
Obwohl wir etwas nervös waren die EU zu verlassen, lief die Grenzüberquerung reibungslos. Trotzdem hatte es eine komische Note, der ungarische Beamte war amüsiert über unsere Reise, er fragte uns perplex “and you like doing this?”, Hmm ja, tun wir. Er wünschte uns Glück und eine gute Reise. Der serbische Beamte sprach kaum mit uns: “Passports!” — “City?”, waren die einzigen Wörter, die der Kerl ausspuckte. Glücklicherweise grüßten uns die Kinder der nächsten Stadt mit großem Lachen “hellooooo welcooome”, und löschten die ersten Eindrücke.
Die Straße war von guter Qualität bis wir in ein Feld einbogen, um über eine Brücke in die nächste Stadt zu kommen. Da war keine Brücke, auch keine Fähre, nichts. Wir lachten, die Sonne schien stark, aber wir hatten keine Wahl, wir mussten zurück fahren und einen Umweg von 16 Kilometern auf uns nehmen. Wir hofften, dass die nächste Brücke existierte und das tat sie.
Subotica war die erste serbische Stadt, die wir besuchten, es war schön, die österreichisch-ungarische Architektur war sehr präsent. Ich habe noch nie eine so beeindruckendes Rathaus in einer so kleinen Stadt gesehen.
Dann machten wir uns auf den Weg nach Novi Sad, die zweitgrößten Stadt Serbiens, Anna, die ich auf meinen Reisen in Thailand getroffen hatte, gab mir den Kontakt von ihren Freunden April und Sinisa. Wir hatten eine großartige Zeit mit ihnen. Sinisa erzählte uns viel über die Geschichte Serbiens, April zeigte uns die Stadt und wir aßen jede Menge Erdbeeren zusammen. Um noch ein paar Tage in Novi Sad auf ein Paket zu warten, meine neue Lenkertasche, zogen wir um. Das Paket kam nie an, aber über Warmshowers trafen wir wieder super nette Leute, Ivana und Endre.
In Novi Sad musste ich zum Arzt. Ich hatte Hämorriden, zum Glück sprach die Ärztin gut englisch und wusste sehr viel über Radsport. In ihrer Freizeit hat sie Gäste, die entlang der Donau Rad fahren. Nichts was ich tat überraschte sie also. Sie gab mir viele Gesundheitstipps, ein paar Tage später war alles wieder gut.
Belgrad war eine lustige Erfahrung. Als wir versuchten unsere Gastgeberin zu finden, kamen uns einige Leute zur Hilfe, manche begannen echt von sogar Balkonen zu schreien, um unsere Gastgeberin zu finden. Wir liefen ein bisschen in Belgrad herum, schauten uns das Fort an, das Museum für moderne Kunst. Aber das Highlight war, dass wir zufälligerweise einen Bikepacker aus Deutschland trafen, Jens. Wir tauschten Kontakte aus, um in den nächsten Tagen vielleicht ein bisschen zusammen zu radeln.
Zwei Tage später, am A. der Heide, um ungefähr 22 Uhr bei kompletter Dunkelheit fand uns Jens anhand von Koordinaten, die ich ihm sendete. Was für eine Überraschung! Wir waren gerade am einschlafen. Er fuhr einfach die 40km in der Dunkelheit, um uns zu finden nachdem er schon 100km von Belgrad geradelt war. Legendär!
Wir fuhren einen Tag zusammen, dann trennten wir uns, weil wir unterschiedliche Routen geplant hatten, er folgte für weitere 100+km der Euro Velo 6, während dessen wir eine kürzere Route wählten, die ein paar felsige Berge überquerte, um am Ende am gleichen Ziel anzukommen. Lustigerweise bemerkten wir bei unserer Mittagspause, durch Jens Livetracker, dass er 30 Minuten hinter uns war. Es gab also ein Wiedersehen. Überraschung Jens! “Woher zur Hölle kommt ihr??”. Wir fuhren die letzten 15km in strömenden Regen zu einem netten Gasthaus für Radreisende nach Negotine.
Im Gasthaus trafen wir noch mehr Bikepacker jeder Altersklasse, die entweder von Bulgarien nach Serbien unterwegs waren oder, so wie wir, am nächsten Tag nach Bulgarien fuhren.
Bulgarien
Als wir aufwachten, waren die meisten anderen Radfahrer schon in den Regen gefahren. Wir hatten keinen Bock unseren Tag durchnässt zu beginnen. Stattdessen warteten wir auf die Sonne, relaxten und hatten ein schönes Frühstück mit Jens. Dann ging es los, zuerst fuhren wir 6km in die falsche Richtung, upps, tschuldigung mein Fehler. Wir drehten um und holten die anderen Radler ein, die einigen Stunden vor uns losgefahren waren, ahh die Vorteile einer Rennradgeometrie!
Wir erreichten die erste Stadt, Vidin, Spuren der Soviet Ära wurden sichtbar, dutzende riesiger, verlassener Fabrikgebäude, standardisierte Wohnblocks, die dringend renoviert werden müssten, einmal sehr schön gewesene Promenaden und die Stadt, die etwas zu leer für ihre Größe war. An diesem Tag sagten wir tschüss zu Jens und fuhren in das Balkangebirge. Wir übernachteten bei Annelies, eine erstaunliche belgische Lady, die eine ehemalige Ferienresidenz in den Wäldern kaufte, die sie mit der Hilfe von Freunden und Freiwilligen in ein Selbstversorger-projekt verwandelte (Hier erfährst du mehr: Merope*). Kein fließendes Wasser, aber ein großer See vor der Haustür, perfekt für eine Abkühlung und ein Bad.
Die folgenden Tage im Balkan waren eindrucksvoll, wir besichtigten die Belogradchik Rocks, schliefen neben Flüssen und Hanffeldern, waren gezwungen die Felsen von Gara Lakatnik mit Rädern herunter zuwandern, und wir nahmen am “Goatmilk Festival” teil, das wir zufällig in einem kleinen Dorf namens Bela Rechka fanden. Der einzige unschöne Moment war als uns ein komischer Vogel uns klar machte, dass es nicht erlaubt sei Fotos in einem Dorfzentrum zu machen. Dann rief er seinen englisch sprechenden Gehilfen. “Was macht ihr hier? Warum macht ihr Fotos? Woher kommt ihr?” - Deutschland, wir sind Touristen, wir fahren Fahrrad, chill Alter. - Bevor ich die Fotos schoss war ich nicht misstrauisch, jetzt bin ich es.
Ein paar Tage später erreichten wir Sofia, wo wir bei den coolen Typen von Sofia Bike aufgenommen wurden. Es ist schwer die Dankbarkeit auszudrücken, die ich gegenüber ihnen empfinde. Wir konnten im Keller ihres Fahrradladens schlafen, sie gaben uns viele Tipps für Sofia, sagten uns wo es die billigste Pizza gab, tranken Bier mit uns und bauten unsere Räder umsonst um. Es war super mit ihnen rumzuhängen. Unseren Besuch in Sofia kann man so zusammenfassen: wir machten einen Stadtrundgang danach chillten wir die restlichen Tage vorm Laden und schauten uns Fahrräder an. Surreal.
Alle guten Dinge kommen irgendwann zu einem Ende. Wir verließen Sofia und erreichten die zweitgrößte Stadt Plovdiv. Anstatt die direkte Route zur Autobahn zu nehmen fuhren wir östlich in die Sredna Gora Bergkette, was ordentliches Bergsteigen nach sich zog, aber natürlich auch Abfahrten auf sehr guten breiten Straßen! Quellwasser gab es wieder überall, das erlaubte uns immer frisches Wasser zu trinken ohne viel tragen zu müssen. In Plovdiv saßen wir uns in ein Café in der Hoffnung ein bisschen für euch schreiben zu können. Stattdessen trafen wir Europareisende, mit denen wir unsere Geschichten austauschten bevor wir die Stadt erkundeten.
Unsere Route führte uns in den nächsten Tagen hoch in die Rhodope Berge. Wir fuhren die ersten 10km bei unerträglichen 42°C, und hatten oft nicht genug Wasser. Die steilen Klippen neben der Straße machten es schwer Schlafplätze zu finden. Glücklicherweise fanden wir einen Großartigen Ort mit Sicht auf das Vacha Reservoir. Wir fuhren durch die Städte Shiroka Laka, Pamporovo, Banite,… berühmt fürs Wandern, Wintersport und Thermalwasser. Die Tage waren hart, die Straße führte uns auf eine Höhe von 1700m, manchmal in unerwartete Regenfälle (Hallo Bergwetter). Die Abende waren entspannt, wir machten gemütliche Lagerfeuer und badeten uns in Flüssen.
Die letzten Tage in Bulgarien waren so schön wie sie nervenaufreibend waren, mein Hinterreifen war kaputt, das Gummi war stellenweise abgerieben, was in nicht weniger als 4 Platten resultierte. Wir klebten es mit Gaffer, legten eine Schicht alte Schläuche und Käseverpackung in den Reifen, tauschten ihn gegen den Vorderreifen… und halleluja, Es hielt bis in die Türkei.
Griechenland
Von Bulgarien aus fuhren wir auf einer leeren Autobahn, die in die Türkei führt, nach Griechenland. Ich hatte kein Visum für die Türkei, weil ich daran scheiterte mir ein E-Visum online zu besorgen. Also fuhr ich auf gut Glück zur Grenze. Ich fragte den griechischen Grenzbeamten, der amüsiert antwortete “Das hier ist eine kleine Grenze… ich bin nicht sicher, ob sie Visas ausgeben…- sie können es versuchen es ist nur 400m weiter…” Also rollte ich mit wenig Hoffnung weiter zur türkischen Grenze. “Hallo, ich bin Belgier, ich glaube ich brauche ein Visum, kann hier eins ausgestellt werden?” Der Beamte war kurz verwirrt, schaute auf seine Papiere, fragte seine Kollegen und kam zurück’” Ja, ja können wir machen, es ist ehh…, warte… - er schaute in die Dokumente - 25 Euro, aber warum hast du es nicht online gemacht?”*
So, hier sind wir auf türkischem Boden mit Edirne der ersten türkischen Stadt nur noch 5km vor uns. Über die Türkei erzählen wir euch in unserem nächsten Blogpost. Bulgarien war ein hervorragender Ort, wahrscheinlich unser Lieblingsstaat der EU auf unserer Reise. Wir werden versuchen einen detaillierteren Artikel über Bulgarien zu schreiben - es ist ein unentdecktes europäisches Fahrradparadies.
Aus Kappadokien, in Liebe, Yves.