September 2018 - Weltreise Update
Vor unserer Abreise hatte ich von Gegenden wie der Seidenstraße, dem Pamir Gebirge und China nur vage Vorstellungen. Ich habe nicht glauben können diese mit dem Fahrrad zu erreichen. Hier ein Artikel darüber, wie Phantasien von Orten zu realen Bildern und Erlebnissen werden.
Von Buchara nach Samarkand
Der Zug brachte uns früh morgens nach Buchara, eine wichtige Stadt auf der Seidenstraße und der Start unserer Reise durch Zentralasien.
In der Oasenstadt angekommen schnappten wir uns sofort eine Bank in einem der wunderschönen, schattigen Gärten. Von hier aus unternahmen wir Streifzüge durch die alten Gemäuer und Großbauwerke, die mit ihren in Blau- und Weißtönen ornamentierten Fassaden und massiven Wänden aus gelben Ziegeln bei der Hitze sehr anziehend auf uns wirkten. Bauwerke und Stadtstruktur sind noch so gut erhalten und imposant wie eh und jeh, dass sie einen wirklich die Zeit der Kamelkarawanen, Basare, Karawansereien und Kunsthandwerker nachempfinden ließen. Als Reisende und “tyro nomads” fühlten wir uns natürlich sofort wohl.
Die Bekanntschaften, die wir während unserer Mittagspause im besagten Garten machten zeugen von der Lebendigkeit Bucharas. Zuerst kam ein Mädchen auf uns zu, das im Garten wartete, um Kinder von Touristen mit einem ferngesteuerten Auto herumzufahren. Sie erzählte uns, auf für eine 12-Jährige gutem Englisch, dass sie zur Zeit 5 Sprachen spreche oder lerne: Usbekisch, Tadschikisch, Aserbaidschanisch, Türkisch und Englisch. Sie wolle später erst Touristenguide und dann Ärztin werden.
Auch ein Stadtführer, Passanten und einige Touristen kamen interessiert auf uns zu. So saßen wir einfach da und führten kleine Unterhaltungen, unsere Reise war immer Auftakt und Mittelpunkt des Gesprächs.
Anschließend bewiesen wir noch dem netten Kellner im Restaurant des Platzes, dass wir die von uns bestellten Unmengen von Essen auch aufessen konnten. Wir zahlten mit einem Stapel Soʻm aus unserer Geldtasche (1 Soʻm = ca. 0,00011€) dann machten wir uns auf den Weg raus aus der Stadt.
Die Fahrt ging über von Landwirtschaft geprägte Gegenden. Wir wachten morgens früh mit den Kühen auf, campen auf Feldern und legten lange Mittagspausen ein, um der Mittagshitze zu entrinnen. Uns begegneten viele Kinder auf den Straßen, die uns hinterherrennen -reiten und -rufen, denen wir Süßigkeiten schenken. Alle wollen Selfies mit uns machen, waren sehr höflich und super süß. Mittags gesellen sie sich oft zu uns und wollen uns entweder ihre Fahrräder zeigen, ihr englisch trainieren, oder einfach nur beobachten was zur Hölle diese beiden Aliens da treiben. Yves zeigt ihnen oft unsere Ausrüstung und ließ sie die GoPro ausprobieren, was die Kinder sehr begeisterte.
Die intensive Landwirtschaft machte es uns manchmal schwer, einen guten Schlafplatz zu finden. Besonders die riesigen oft staatlichen Baumwollplantagen sind oft bewacht, sodass wir an Orten wie Schulsportplätzen schlafen.
In Usbekistan fängt auch die Knappheit einiger Güter an, Trinkwasser kommt nicht mehr aus der Leitung, sondern muss gefiltert oder gekauft werden. Benzin für den Kocher gibt es nicht wirklich, denn der Staat fördert Gas und so fahren auch alle ein gasbetriebenes Fahrzeug. Vorteil davon ist trotz alter Karren, gibt es kaum Gestank auf den Straßen.
Nicht nur die Kinder empfangen uns unglaublich freundlich. Oft halten Autos an und wir bekommen frisches Samarkantbrot oder Äpfel aus geöffneten Autofenstern heraus geschenkt.
Kurz vor Samarkand bewiesen uns die Menschen erneut ihre Gastfreundlichkeit. Mit dem Hintergedanken, vielleicht im Garten einer wunderschönen Moschee campen zu dürfen, treten wir durch das Eingangstor. Wir liefen auf drei Männer, die gerade mit Gartenarbeit beschäftigt waren zu, fassten uns ein Herz und fragten direkt, ob wir hier unser Zelt für eine Nacht aufschlagen dürften. Sofort wurde uns ein Leseraum der Moschee als Schlafplatz angeboten. Doch noch bevor wir unser Gepäck abbauen konnten, nahm uns einer der Männer mit in seinen Garten, wo seine Frau, Schwägerin und Enkel am Kaffeetisch saßen. Es war klar, dass Malik uns zu sich einladen wollte. Die Schwägerin Julduz arbeitet für die indische Botschaft in Taschkent und sprach fließend englisch, auch das, wie sich dann herausstellte, Lehrerpaar konnte gut auf Zeichensprache mit uns kommunizieren. Es ging also los: Auf Tee und die herrlichen Nektarinen, Melonen und Trauben aus dem Garten folgte eine Auswahl von süßen Gebäcken und dann ein leckerer vegetarischer Kartoffeleintopf. Getoppt wurde das Ganze nur vom Frühstück, das uns Maliks Frau Rano vor der Arbeit zauberte. Ich sage nur Pfannkuchen, Kirschmarmelade, Tee, Milch der Kuh aus dem Garten…
Zum Schluss spielte Yves das letzte Mal mit dem etwa 3-Jährigen Enkelkind Ali Fußball. Uns wurden kiloweise Früchte mitgegeben und dann ging es für uns in einem halbtägigen Ritt nach Samarkand.
Samarkand empfing uns mit breiten Straßen und viel Verkehr. Die Stadt ist modern und es gab sehr viele Touristen von überall her, alte Strukturen überlagern sich mit modernen Plätzen und hohen Häusern. Die Sehenswürdigkeiten besichtigten wir eher grob, schmuggelten uns durch Hintereingänge in die Paläste und durchstreiften Altstadtstraßen. Wir wohnten in einem sympathischen Hotel, es hatte einen schön begrüntes Innenhof und eine schattige Dachterrasse, auf der wir die meiste Zeit verbrachten und den leichten köstlichen Tee tranken.
Yves Verdauung ging es schon länger nicht so gut. Wir sind dankbar, dass uns der Sohn des Hoteliers zum Krankenhaus um die Ecke begleitete. Wir waren nur etwa 10 Minuten da: Eine Minute warten auf Ärztin, drei Minuten Befragung und Untersuchung, zwei Minuten Weg zur Krankenhaus eigenen Apotheke, vier Minuten übersetzte uns die Apothekerin das Rezept und erklärte uns die Wirkung der Medizin. Boom.
Die letzte Nacht in Usbekistan verbrachten wir in einem Dorf kurz vor der Grenze zu Tadschikistan im Haus des hiesigen Bürgermeisters. Der hatte uns an der Grundschule eingesammelt, wo wir unser Zelt aufschlagen wollten.
Er ließ uns von seiner Frau und Tochter Essen auftischen, stellte uns seine Söhne vor, und zeigte uns seine neue Musikanlage. Später kam noch sein Bruder vorbei, der Englischlehrer des Dorfes. Besorgniserregend war, dass wir auch mit ihm auf Englisch nur notdürftig kommunizieren konnten. Das Essen war gut, das Haus war eines der typischen Bauernhäuser des Landes mit ihrem großen Hof, Waschhäusern, hohen Obstbäumen, Ställen, Gemüsebeeten und mit Wein bewachsenen Lauben.
Wir vermuten, dass Usbekistan eins der gastfreundlichsten Länder der Welt ist!
Von Samarkand nach Dushanbe in Tadschikistan
Der Grenzübergang nach Tadschikistan war der chaotischste, den wir je erlebt hatten. Es gab ein Problem mit den Computern und so sammelten sich Minute für Minute mehr Wartende an. Irgendwann befanden Yves und ich uns in einer drängelnden, aufgebrachten Menschenmenge. Nicht überall auf der Welt herrscht das gleiche Gefühl für körperlichen Abstand zu Fremden. Das erfuhren wir hier sehr deutlich. Nach ein paar Versuchen junger Beamten die Menge unter Kontrolle zu bringen, funktionierten die Computer wieder und das Gedrücke ging so richtig los. Glücklicherweise rettete uns einer der Beamten und kontrollierte schnell die Pässe und ließ uns passieren.
Dann ging es langsam aber sicher in Richtung Berge. Flüsse wurden reißender, Berge höher und die Straßen steiler. So gelangten wir zum legendären “Tunnel of death”. Wir kannten bisher nur Fotos von Radfahrern, die mit schwarzen Gesichtern aus diesem unbelichteten und unbelüfteten, 5km langen Alptraum herausgefahren waren. Die Straße war schlecht und die vielen Kohletransporter aus den angrenzenden Abbaugebieten gaben der wenig vorhandenen Luft den Rest. Yves dachte noch daran den Tunnel zu befahren, als ich schon den ersten Kohletransporter anhielt und nachfragte, ob er uns durch den Tunnel mitnehmen könne. Im Nu hatten wir unsere Räder verladen und waren ins Führerhäuschen geklettert. Sogar im LKW war die Fahrt noch der Horror!
Ich wiegte mich schon in Sicherheit und dann musste ich doch noch durch einen ähnlichen aber kürzeren (1km) Tunnel radeln. Mit Yves hinter mir weinte und schrie ich die ganze Strecke, auf der ich trotz Fahrradlichtern meine Hand vor den Augen nicht sehen konnte.
Es ging weiter, jetzt rasant bergab auf einer sehr guten und breiten Straße Richtung Duschanbe, der Hauptstadt von Tadschikistan und wir genossen die Fahrt.
Wir folgten einem wunderbaren blauen Gebirgsfluss und trafen Hirten, Kohlefahrer und Ladenbesitzer. Wir wurden wie gewohnt mit Brot und Früchten versorgt und fanden nette Lädchen, in denen wir uns mit den nötigsten Lebensmitteln versorgten.
Wir sahen auch eine unverschämt riesige Residenz des Präsidenten von Tadschikistan, der uns im ganzen Land auf unzähligen Plakaten entgegenblickte. So erreichten wir Duschanbe eine Stadt mit großen Monumenten aus Sowjetzeiten und zur Repräsentation des heutigen Präsidenten.
Hier hatten wir geplant eine Nacht bei Jenny unserer Warmshowers Gastgeberin aus München und ihren 2 Katzen zu bleiben. Jenny war sehr sympathisch und wir hatten interessante Gespräche über ihre Arbeit in einem Projekt für die Ernährung von Frauen und Kindern in den Bergen Tadschikistans. Tadschikistan ist eins der ärmsten Länder der Welt und so sind dort einige humanitäre Hilfsprojekte angesiedelt. Auch erzählte sie uns viel über den Pamir Highway, den sie genau wie wir es planten, vor ein paar Jahren befahren hatte.
Dann deckten wir uns im einzigen großen Supermarkt mit Vorräten für die weitere Reise ein, reparierten unsere Räder bei einem sehr netten, geduldigen und kompetenten Fahrradmonteur und holten unsere GBAO Erlaubnis, um in dem autonomen Gebieten Tadschikistans fahren zu dürfen, in dem sich auch der Pamir Highway befindet. Bei diesen ganzen Erledigungen trafen wir immer wieder auf ein französisches Pärchen mit Tandem, Greta und Romain, mit denen wir uns schnell gut verstanden.
Sagirdasht Pass
Aus Dushanbe rausfuhren wir etwa 100km über asphaltierte Straßen. Danach fingen die Schotterpisten an, die uns die nächsten Wochen begleiten würden. Wir passieren den ersten Checkpoint und waren auf der M41, dem legendären Pamir Highway, der zweithöchsten Fernstraße der Welt.
Wir fuhren ins Niemandsland so war unser erster Eindruck, doch so ganz stimmte das nicht. “Hello, Hello!!” tönte es von überall her. Kinder rannten auf die Straßen und wollen mit uns abklatschen. Wieviele Kinderhände wir in Tadschikistan abgeklatscht haben, kann ich wirklich nicht mehr sagen.
Stolze Hirten oft in traditionellen Gewändern hatten ihre Zelte an Berghängen aufgeschlagen und hüteten ihre großen Schaf- und Ziegenherden. Oft trafen wir auch auf Eselgrüppchen und sogar eine Herde von Pferden, die von ihrem berittenen Hüter die Straße heruntergetrieben wurde.
An einem anderen Tag fielen uns Goldsucher auf, die im breiten reißenden Fluss mit ihren Schaufeln, Sieben und Bottichen nach Gold suchten - wie aus einer anderen Zeit.
In der Kleinstadt Tavildara angekommen begrüßte uns der Polizist vom dortigen GBAO Checkpoint mit kaltem, klaren Wasser, leckeren Trauben und gelben Pfläumchen. Es war September, der Erntemonat in der Pamir Region und damit der Einzige, in dem es so viel frisches Obst gibt - lucky us! Dann versorgen wir uns wieder für die nächsten Tage mit Lebensmitteln. Wahrscheinlich sowas wie ein bisschen halb trockenes Brot, Schmelzkäse, Reis, Bananen, Karamellbonbons. Hier in der Wüste kann man die Läden an einer Hand abzählen und Wasser - und Essensrationen mussten deshalb penibel geplant werden.
Wir fuhren weiter in Richtung Sagirdasht Pass auf 3300m Höhe, eine erste Probe für das Pamir Gebirge.
Der Sagirdasht Pass war physisch und psychisch sehr anstrengend und trieb uns an unsere Grenzen. Die Straße war extrem schlecht, es war heiß und ab 3000m wurde der Sauerstoff knapp. Yves schmerzten wegen seines Asthmas die Lungen. Natürlich kam es auch auf diesem Pass zu einem unserer typischen Streits.
Oben angekommen lag eine unfassbar schöne Berglandschaft zu unseren Füßen. Die sanften Grün- und Lila Töne der kargen mit niedrigem Gras bewachsenen Berge gingen in das gleißende Licht des Himmels über. Hier war allerdings nicht daran zu denken ein Lager aufzuschlagen. Es wurde zugig und kalt, außerdem war hier Minengebiet aus dem Bürgerkrieg von 1992- 1997 nach dem Kollaps der Sowjetunion. Wir aßen nur eine Kleinigkeit in einer der sowjetischen Bushaltestellen, die entlang des gesamten Pamir Highway stehen und sicher zu besseren Zeiten mal einen wichtigen Zweck erfüllt haben. Dann ging es runter, durch Schluchten, wie es in Herr der Ringe keine dramatischeren gibt. Entlang kleiner Flüsschen ging es herausfordernde steile Abfahrten herunter.
Auf jede Strapaze folgt eine erholsame Pause. Zwei baskische Radler mit Hund, die wir beim Aufstieg trafen, berichteten uns von einer überdachten Wasserquelle mit Tisch und Bank. Dort hin gelangten wir nach dieser Höllenabfahrt. Sofort schlugen wir unser Lager auf, bereiteten Essen vor und entspannten uns. Wir hatten unser Zelt versteckt am grünen Berghang aufgebaut. Als wir uns zum Schlafen legen wollten, bemerkten wir, dass einige Autos zur Quelle gekommen waren und sich eine Männergruppe zum feiern und musizieren versammelt hatte. Vermutlich wurden Schnaps und Instrumente ausgepackt und dann wurde gesungen. Es waren sehr schöne Gesänge. Die Männer zogen nach einer Stunde von Dannen und wir genossen unseren wohl verdienten Schlaf.
Am nächsten Morgen genossen wir noch ein bisschen die schöne Stelle und reparierten ein paar Sachen, da kamen wie aus dem nichts wieder drei Radler aus Polen und Italien entgegen, mit denen wir lange quatschten. Wir fuhren erst spät in die nächste Stadt Qal’ai Khumb.
Afghanische Grenze
Hier war die Hölle los. Der Präsident war vor einer Stunde da gewesen und alle Menschen, die auch extra für die Feierlichkeiten angereist waren, liefen in ihren schönsten Kleidern auf der Hauptstraße herum. Es gab ein erhebliches Polizei- und Militäraufgebot. Wir fanden den einzigen geöffneten Supermarkt und besorgten Snacks. Wie lecker Brot vom Vortag, eine Art Sourcream, Chips, Honigwaffeln und Fanta sein können, lernten wir in Tadschikistan. Wir aßen und wurden dabei von einer Meute pubertierender Jungs umzingelt und dumm angequatscht. Das einzige Mädchen, das zugegen war, rettete uns, sie sprach gut englisch und erzählte uns von ihrer Familie, Schule, und dem Dorfleben.
Dann suchten wir uns ein kleines Hotelchen. Am nächsten Tag trafen wir wieder auf Greta und Romain. Sie holten uns im Hotel ab, um in den nächsten Tagen mit ihnen zusammen am Grenzfluss zu Afghanistan zu radeln.
Die Lehmdörfchen in Afghanistan sahen sehr arm und friedlich aus. Ab und zu sah man ein Motorrad auf der völlig kaputten Straße, manchmal winkte ein Mensch, manchmal rief ein Esel. Das Afghanistan aus den Nachrichten kam uns nicht zu Gesicht.
Durch ihr besonderes Tandem mit Anhänger hatten Greta und Romain eine etwas langsamere Reisegeschwindigkeit, aber dafür waren wir morgens langsamer. So trafen wir uns immer zur Mittagspause und zum Campen und Kochen am Abend wieder. Die Straße liegt im Flusstal zwischen steilen Bergen ohne Brücken zur afghanischen Seite rüber. Uns überkam oftmals ein leicht klaustrophobisches Gefühl und so war es prima, sich durch interessante Gespräche abzulenken.
Dann erreichten wir Chorugh eine etwas größere Stadt als Qal’ai Khumb, mit einem indischen Restaurant und mit einem schönen Markt wo wir endlich frische Lebensmittel fanden. Indisches Restaurant fragt ihr euch?? Ja, und zwar eins dessen Ruf ihm gewaltig voraus jagt. Schon die polnisch-italienische Radlertruppe berichtete uns davon und wir freuten uns seit Tagen auf das wie sich herausstellte wirklich gute Essen.
In Chorugh trennten sich dann auch die Wege von Greta, Romain und uns. Für uns ging es weiter auf der M41 der höchsten aber auch schnellste Route nach Murghob im Osten von Tadschikistan. Die beiden anderen entscheiden sich für den längeren Weg durch das Wakhan Valley.
Berg-Badachschan
Bis dahin waren wir in Tadschikistan wirklich auf den anstrengendsten und kaputten Straßen der Welt gefahren.
Jetzt hatte das ein Ende. Wir fuhren auf die Hochebene, den Pamir, die Straße war meist relativ gut asphaltiert. Es kamen uns oft Leute entgegen, die von niedrigen Temperaturen und Schnee in den hohen Lagen ab 3000m berichteten. Unter ihnen ein verrentetes alaskisches Paar, das wie wir mit dem Fahrrad unterwegs war. Die beiden erzählten uns auch von einem Franzosen, der nur wenige Kilometer vor uns fuhr. Am selben Tag trafen wir Clément, Radreisender, Drohnenfotograf und als Chirurg vor allem für humanitäre Projekte tätig, als er dabei war auf der Straße mit Kindern zu quatschen und sich Äpfel schenken zu lassen.
Wir waren uns sympathisch und es war klar, wir würden die nächsten Tage zusammen fahren und campen. Gleich in der ersten Nacht wurde es richtig kalt. Wir schätzten Temperaturen von ungefähr -3°C. Wir hatten abends einen VW Bus aus Belgien gesehen und natürlich campten und kochten wir an dem Abend zusammen mit Thomas, der gerade von einer mehrtägigen Wanderung in den Bergen zurückkam. Eingemummelt in alle unsere Anziehsachen und den Windschatten des VW-Busses nutzend, konnten wir recht gut und warm schlafen. Am nächsten Morgen frühstückten wir alle zusammen neben dem vereisten kleinen Bächlein und ließen uns von der Sonne aufwärmen.
Wir hatten großes vor, es sollte ein über 4000m hoher Pass befahren werden. Um die Höhenkrankheit zu vermeiden, mussten wir bei der Planung der Strecken ab 3000m über null darauf achten nicht mehr als 400m höher zu schlafen als den Tag zuvor. Die Landschaft wurde immer spektakulärer und wir stiegen immer höher Richtung Schnee bedeckter Gipfel. Bei Clément setzte relativ schnell Übelkeit und Kopfschmerz ein. Auch Yves Lungen wurden langsam schlapp. Erstaunlicherweise war ich die Einzige, die die Höhe problemlos bewältigte und langsam und bedächtig den Pass erklomm. Oben machten wir eine Pause und beobachteten die filmreife Kulisse. Hier gab es wirklich kein Anzeichen von Zivilisation mehr, es wehte ein zugiger Wind, die Sonne brannte. Auf dieser Höhe und mit ähnlich schwierigen Herausforderungen verbrachten wir auch die nächsten Tage. Wir sahen riesige blaue Salzseen und unglaubliche Felsformationen. Wir sahen Jurten, Yaks, Hunde und Hirten. Es war eine wirklich unglaublich meditative und intensive Zeit.
Nun sollte es so schnell wie möglich nach Murghob gehen. Wir brauchten dringend mal wieder ein warmes Hotel und einen Supermarkt. Wir erreichten eine wunderschöne von hohen steinigen Felsen umgebene Grasebene, die in ihren moosigen Grün- und Gelbtönen und mit ihren Flüsschen und Yakherden friedlich vor Murghob da lag. Uns erwartete ein Kuhkaff mit Kaserne und Hotel. Ohne viel zu zögern, bezogen wir ein schäbiges Dormitory. Wir wurden nett empfangen, machten uns sofort Tee und nahmen eine heiß tröpfelnde Dusche. Bei Gesprächen mit anderen Reisenden erfuhren wir, dass der morgige Tag der letzte vor den zweiwöchigen chinesischen Herbstferien sein würde. Und, dass in den Herbstferien die jetzt sehr nahe chinesische Grenze geschlossen sein würde. Aus unserem geplanten Entspannungsaufenthalt wurde ein stressiges Organisieren von Nahrungsmitteln und von einem Transportmittel, das uns am nächsten Tag mit zur 90km entfernten Grenze nehmen würde.
Am nächsten Tag machten wir uns dann früh auf, um am Truckstop einen LKW-Fahrer zu bitten uns mitzunehmen. Doch wir waren zu spät. Es waren bereits alle Trucker unterwegs, um früh an der Grenze zu sein und die komplizierte Einreiseprozedur der Chinesen über sich ergehen zu lassen. Nachdem wir uns in der Truckserstube zu Tee und Gebäck einladen lassen hatten, weil wir selber gar keine Tadschikischen Somoni mehr besaßen, fuhren wir wieder Richtung Stadtzentrum und organisierten einen Fahrer, der uns mit seinem alten Geländewagen für viele Dollars in rasantem Tempo über die kaum vorhandene Piste an die chinesische Grenze und über den Kulma-Pass brachte.
Wir reisten aus Tadschikistan aus und befanden uns in einer anderen Welt, von der wir euch natürlich im nächsten Weltreise Update berichten werden!